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"Zero Waste" - Die Suche nach Wein & Schokolade

Ein Erfahrungsbericht von Jasmin

Der Restmülleimer soll für fünf Wochen leer bleiben, genauso wie die Papier-, Wertstoff- und Glassammelbehälter. Lediglich Biomüll ist erlaubt. In dem Selbstexperiment „Zero Waste!“ sehe ich die Chance meine eigenen Grenzen auszutesten...

Mein Einkauf: Grundnahrungsmittel und Butter aus dem Unverpacktladen, sowie lose Eier und Molkereiprodukte in Mehrweggläser und unverpacktes Obst, Gemüse und Kräuter aus dem Supermarkt bzw. aus dem Garten meiner Großeltern
Mein Einkauf: Grundnahrungsmittel und Butter aus dem Unverpacktladen, sowie lose Eier und Molkereiprodukte in Mehrweggläser und unverpacktes Obst, Gemüse und Kräuter aus dem Supermarkt bzw. aus dem Garten meiner Großeltern

Vor ein paar Jahren habe ich bereits einige Wochen Plastikmüll gefastet, doch in dieser Zeit hat sich umso mehr Wertstoffmüll angesammelt. Jetzt möchte ich ausprobieren, ob ich Müll komplett vermeiden kann. Da es mir nach einigen Vorüberlegungen unrealistisch erscheint, dass ich zu hundert Prozent auf Müll verzichten kann, habe ich mir vor Beginn des Experiments ein paar Regeln gesetzt, anhand derer ich meinen „Erfolg“ messen möchte:  Ich verzichte auf alle Produkte, die nicht essenziel sind, die ich ersetzen kann und deren Alternativen ich mir finanziell leisten kann. Wenn ich mit Freunden koche, trage ich meinen Teil des Gerichts „müllfrei“ bei. Ansonsten sammle und wiege ich jeglichen Müll vom Bahnticket bis zur Verpackung meiner Heuschnupfen-Tabletten. Meine Haushaltswaage zeigt circa zwei Kilogramm Müll vor Beginn des Experiments an, die allein durch mich pro Woche anfallen. Ich bin gespannt, wie weit ich die Menge reduzieren kann.

Ich nehme euch mit durch einen "Zero Waste"-Tag...

Es ist Montag, der Kühlschrank ist leer und mein wöchentlicher Großeinkauf steht an. In meiner Fahrradtasche klirren die leeren Schraubgläser und Plastikdosen, die ich in einem Unverpacktladen mit verschiedenen Mehlsorten, Müsli, Nudeln, Reis, Kichererbsen, Olivenöl, Butter und Gewürzen füllen werde. Dort wiege ich die Gefäße, fülle sie dann mit den gewünschten Produkten und anschließend werden sie an der Kasse nochmal gewogen. Das Konzept ist unkompliziert: man bezahlt genau die Menge der Produkte, die man abgewogen hat. Das Obst und Gemüse hole ich unverpackt aus dem Supermarkt, Milch und Joghurt in Mehrweggläsern und am Wochenende gehe ich manchmal auf den Markt.

Die ausgedehnten Fahrradtouren zu den verschiedenen Läden machen mir Spaß. Meine Ernährung ist seit Beginn des Projekts gesünder und ich fühle mich nach ein paar Wochen fitter und ausgeglichener. Entgegen meinen Erwartungen vermisse ich Fertigprodukte wie Maultaschen, Spätzle oder gefüllte Nudeln nicht. Auch beim Backen kann ich einige Produkte einfach ersetzen, dadurch muss ich die Rezepte etwas ändern, doch bisher hat sich noch niemand über mein Brot oder meinen Kuchen beschwert. Lediglich der höhere Zeitaufwand beim Kochen ist im stressigen Unialltag ab und zu hinderlich, denn viele Gerichte müssen einen Tag vor dem Kochen vorbereitet werden.

 

Nach dem Einkaufen sitze ich wieder zu Hause am Schreibtisch und höre ein paar Online-Vorlesungen. Nachmittags treffe ich mich mit einem Freund. Mein gezücktes Stofftaschentuch mit Spitzenbesatz führt zu ungläubigen Blicken und ein wenig Erheiterung. Doch es funktioniert genau wie die Papiertaschentücher und ist nach einem Waschgang in der Waschmaschine bei 90 Grad Celsius auch mit Sicherheit genauso hygienisch wie jedes Papiertaschentuch. Und meine Oma hat sich auch gefreut, dass sie zu meinem Experiment etwas beitragen kann.

Später haben wir beide Hunger, doch ein Döner kommt für mich nicht in Frage. Nach einigem Suchen finden wir eine Bäckerei, in der mir der Verkäufer schließlich ein belegtes Brötchen ohne Papiertüte über die Theke reicht. Bäckereien stellen sich in den nächsten Projektwochen als sehr kooperativ heraus. An den Käsetheken hingegen macht mir die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung: Die VerkäuferInnen dürfen den Käse nicht in mitgebrachte Plastikdosen füllen, was vor der Pandemie möglich war. Hier heißt es für mich zum ersten Mal in dem Experiment zu verzichten.

Bild von Filmbetrachter auf Pixabay
Bild von Filmbetrachter auf Pixabay

Bisher ganz einfach. Moment Mal... Die Suche nach Wein & Schokolade

Verwandte und Freunde fragen mich oft, welche Haushalts- und Hygieneprodukte ich einkaufe. Die meisten Haushaltsprodukte wie Seife, Spülmittel oder Waschmittel kaufe ich in einem der Unverpacktläden in Karlsruhe. Über andere Produkte habe ich noch nicht nachgedacht, da sie in der Zeit des Experiments schon im Haushalt waren und ich alle Produkte erstmal aufbrauche, bevor ich sie ersetze. Mit den Hygieneprodukten sieht es schon anders aus. Feste Duschgel-, Shampoo- und Conditioner-Seifen sowie einen Rasierhobel, benutze ich bereits seit einigen Jahren und bin absolut überzeugt von diesen Produkten. Im Gegensatz dazu sehen bei mir nachhaltige Bambuszahnbürsten nach drei Tagen aus wie überfahrene Igel und müssen ausgewechselt werden. Daher verwende ich weiterhin die handelsüblichen Plastikzahnbürsten, auch wenn sie im Haushaltsmüll landen. Und natürlich kaufe und benutze ich auch weiterhin Toilettenpapier!

 

Es gibt einige Produkte, für die ich persönlich noch keine Lösung gefunden habe. Zum Beispiel Verpackungen von Medikamenten, Schreibwaren wie Textmarker und Kugelschreiber, Verpackungen von Haushaltsgegenständen, von Nägeln bis zum Fahrradreifen, Umschläge von Briefen und Paketen, Deoflaschen – die Liste ist sehr lang. Doch meine größte persönliche Herausforderung war die Schokolade. Nach einer langen Suche und einem entscheidenden Tipp einer Freundin habe ich die Marken LoveChock und Original Beans entdeckt. Das Plastik um die Schokoladentafel ist vollständig kompostierbar, aber leider ist es trotzdem nicht für die Biomülltonne geeignet. Außerdem sind die Tafeln noch in Pappe verpackt. Also bleibt die Schokolade meine persönliche Belastungsprobe bis zum Ende des Experiments. Mit dem Rotwein habe ich mehr Glück. Es gibt wenige Weingüter, die ihren Wein in Mehrwegflaschen verkaufen. Ein Verkäufer erklärt mir, dass es früher nur Mehrweg-Weinflaschen gegeben habe bis die Weingüter ihre eigenen Flaschen designed haben. Jetzt glaube er nicht mehr daran, dass dieser Schritt rückgängig gemacht werden könne. Schade! Auf meine Frage, welchen der Rotweine in Mehrwegflaschen er denn empfehlen könne, antwortet er sehr nachdrücklich mit „Keinen!“. Ich nehme trotzdem zwei Flaschen mit und muss dem Verkäufer leider recht geben – dafür habe ich aber ein tolles Rotweinkuchen-Rezept entdeckt.

Foto von Karolina Grabowska von Pexels
Foto von Karolina Grabowska von Pexels

Was hat sich nun eigentlich verändert?

Lange Gespräche mit VerkäuferInnen sind während meines Projekts keine Seltenheit und ich bin positiv überrascht, wie begeistert ich beraten werde. Oft bekomme ich eine kleine Ladenführung durch Supermärkte, wenn ich auf der Suche nach Produkten in Mehrweggläsern oder in biologisch abbaubaren Verpackungen bin. Manche Produkte wie zum Beispiel Essig gibt es in Mehrwegflaschen, allerdings sind diese zum Teil gar nicht als solche gekennzeichnet. Nachfragen lohnt sich also auf jeden Fall! Auch beim Kaffeekauf in einer Rösterei unterhalte ich mich sehr lange mit einer Verkäuferin, die sich sehr für einen „Zero Waste“-Lebensstil interessiert. Die Begegnungen machen mir viel Spaß und ermutigen mich in meinem Projekt.

 

Auch in meinem Freundeskreis und in meiner Familie bemerke ich Veränderungen. Zu Beginn des Projekts wurde ich oft ungläubig belächelt oder habe ein „Das ist schon irgendwie cool, aber ich wollte das ja nicht machen“ zu hören bekommen. Nach ein paar Wochen erzählen mir meine Freunde immer öfter, dass sie beim Einkauf doch zu den unverpackten Tomaten anstelle derer in der Plastikpackung gegriffen haben. Eine Verwandte fragte mich kürzlich, ob ich feste Shampoo-Seifen empfehlen könne. Und auf einem Familienfest wurde auf einmal über das Konzept von Unverpacktläden diskutiert. Auf der anderen Seite distanzieren sich auch manche Personen in meinem Umfeld ganz klar von der Idee. Verzichten wolle man nicht und das Einzelprojekt mache eh keinen Unterschied im Vergleich zu den Müllbergen, die ganz Deutschland produziert, die Entscheidung müsse von der Politik kommen. Auch wenn ich den Standpunkt gut verstehen kann, habe ich eine andere Erfahrung gemacht. Das „Zero Waste!“-Experiment polarisiert und bringt das Thema der Müllproblematik auf den Tisch. Und da ich der Meinung bin, dass Veränderungen auch im Kleinen beginnen, sehe ich den größten Erfolg des Projekts darin, wie viele Menschen in meinem Umfeld angefangen haben ihr Konsumverhalten zu hinterfragen.

Mein persönliches Fazit

Meine Müllmenge hat sich während des Experiments durchschnittlich auf ungefähr 500 Gramm reduziert, also auf ein Viertel des ursprünglichen Gewichts. Mit diesem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, auch wenn die Perfektionistin in mir gerne eine noch kleinere Zahl erreicht hätte. Das Experiment hat mir sehr viel Spaß gemacht und hat mir das Gefühl gegeben, dass ich ganz einfach zu Hause einen Beitrag zum Umweltschutz leisten kann. Und obwohl ich das Projekt bereits abgeschlossen habe, bin ich beim letzten Einkauf in einen Unverpacktladen einkaufen gegangen, wie in den Wochen zuvor auch. Ich bin gespannt, wie lange das Experiment noch nachklingt. Die positiven Erfahrungen werden auf jeden Fall bleiben.

Kontakt

Sarah Meyer-Soylu

sarah.meyer@kit.edu  |  +49 721 608-23993

 

Eva Wendeberg

eva.wendeberg@kit.edu  |  +49 721 608-24841

 

 

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